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Grab 01

Rektor und Kantor Karl Emil Völker

Karl Emil Völker wurde am 29. 4. 1863 in Gehlenbeck, Krs. Lübbecke, als siebentes Kind des Franz Heinrich Völker, geboren am 1.10.1814 in Brockhagen,  und der Sophie Adelheide, geb. Steinmann aus Gehlenbeck, geboren. 

Die Familie Völker hatte in Brockhagen seit dem 16. Jahrhundert einen kleinen Hof und eine Poststation mit Ausspann für die Strecke von Gütersloh nach Halle. Emils Vater Franz Heinrich, geb. 1.10.1814 in Brockhagen, wurde Lehrer und bestand 1835 sein Examen nach der Ausbildung in Gütersloh und Soest. Seine erste Anstellung erhielt er in Gehlenbeck, wo er auch verblieb. Er erlangte dort die Position des Hauptlehrers und Kantors, heiratete die Tochter seines Amtsvorgängers und hatte mit dieser sieben Kinder, von denen Emil Völker das siebente und jüngste war. Die Familie war sehr musikalisch. Emils ältester Bruder, Schüler des Friedrichs-Gymnasiums Herford, spielte als Pianist beim Hofe des Fürsten von Bückeburg. Leider wurde er nur 22 Jahre alt, da er infolge eines Löscheinsatzes bei einem Dorfbrand in Gehlenbeck 1867 verstarb. Emils Bruder Franz Völker war Gymnasialprofessor am Ratsgymnasium Bielefeld, promovierter Altphilologe und ebenfalls sehr musikalisch.

Emil Völker besuchte die Volksschule in Gehlenbeck, war also auch Schüler seines Vaters. Ein Studium konnte er seinem jüngsten Sohn nicht mehr finanzieren, sodass dieser zuerst die Präparandenanstalt in Schildesche und danach das Lehrerseminar in Petershagen besuchte, wo er auch eine Ausbildung zum Organisten machte. Seine erste Lehrerstelle erhielt Emil in Dielingen, Krs. Lübbecke, nahe dem Dümmer See. Dort fand er auch seine Ehefrau, Emma Elise Wrede, die Nichte seines dortigen Mentors und Hauptlehrers. Emma Wrede stammte aus Harburg bei Hamburg und kam nach einer Typhuserkrankung zur Erholung nach Dielingen zu ihrem Onkel. Am 1.2.1889 heirateten sie in Harburg. Mit der Familiengründung erhielt Emil eine eigene Lehrer- und Kantorenstelle in Gehlenbeck, sozusagen als Nachfolger seines Vaters. Das Ehepaar bekam zwei Töchter: 1891 wurde Martha und 1893 Marie geboren. Zum 1.4. 1902 wechselte Emil dann nach Steinhagen auf die Stelle des Rektors der vierklassigen Volksschule. Er wurde gleichzeitig Kantor der evangelischen Kirchengemeinde Steinhagen. Die Familie bewohnte das Kantorenhaus neben dem Pastorat in der Nähe des heutigen Dietrich-Bonhoeffer-Hauses. 

Dr. Franz Völker hatte sich sehr darum bemüht, seinem jüngeren Bruder Emil für eine Anstellung in seiner Nähe behilflich zu sein, da er meinte, Emil könne in der Region Bielefeld noch mehr bewirken als in Gehlenbeck. Etwas plagte ihn auch das Gewissen, dass er selbst eine so viel angesehenere Position erreicht hatte, die dem jüngeren, aber sehr talentierten Bruder mangels Geldes verwehrt geblieben war. So hätte Franz ihn auch gern an einem Gymnasium gesehen, was Emil aber stets ablehnte mit der Begründung, dass ihm eine gute Volksbildung wichtiger wäre als Elitenförderung. In Steinhagen war er sehr zufrieden und schlug alle Angebote für andere Stellen aus. Er förderte die Ausbildung der Jungen zu erfolgreichen Bauern und Handwerkern, stärkte die Mädchenbildung, belebte den Sport- und Musikunterricht, und entwickelte die Kirchenmusik in Steinhagen.

Als Rektor wurde Emil Völker 1927 pensioniert, als Kantor blieb er jedoch noch einige Jahre länger im Dienst. Er leitete den Gemischten Chor und versah den Orgeldienst, mit dem Posaunenchor haderte er allerdings. Er übernahm die Geschäftsführung des Vaterländischen Frauenvereins, leitete die Aus- und Weiterbildung der Junglehrer und Junglehrerinnen, hatte den Vorsitz im Bezirksschulverband inne und betreute die Fürsorgezöglinge in der Jugendstrafanstalt Herford. Außerdem bereitete er begabte Schüler auf den Besuch des Gymnasiums vor und gab Privatunterricht in Französisch und Literatur. Noch vor dem Ersten Weltkrieg setzte er sich aus politischen Gründen sogar für einen Lehreraustausch mit Frankreich ein; ein Bretone war bis kurz vor Kriegsbeginn Gast in seinem Hause.

Emils Enkelin Gisela, geb. Westerhoff, schrieb in ihren Lebenserinnerungen zur Kennzeichnung des Charakters von Emil:
„Mein Großvater war ein sehr musikalischer Mensch. Deshalb konnte er es schlecht ertragen, wenn er falsch gespielte Töne hören musste. Das war immer der Fall, wenn der Posaunenchor mit mehr gutem Willen als Können in Erscheinung trat. Bei so vielen Weihnachtsgottesdiensten und anderen Gelegenheiten, in denen er als Organist und Kantor tätig war, wollten und mussten auch die Posaunen zu Gehör kommen. Trotz vielen Übens brachten sie aber nicht immer reine Töne hervor, sodass das Gehörte oft genug eine Beleidigung für musikalisch geschulte Ohren war. Es war also nur konsequent, dass er in seiner letztwilligen Verfügung auch schriftlich festlegte, dass am Tage seiner Beerdigung keine Posaunen den Trauerzug begleiten sollten. Ebenso verbat er sich auch eine Trauerlobrede des Pastors. Einige Bibelstellen, die er selbst ausgesucht hatte, sollten von seinen Kollegen vorgelesen werden. Nur die Aussegnung am Grabe blieb dann als Amtshandlung dem Pastor vorbehalten. Der Grund war einleuchtend. In seiner langjährigen Tätigkeit in Steinhagen hatte er in Vertretung des Pastors, der ihm diese Aufgabe übertragen hatte, in den Häusern, Höfen und Kotten die Trauerfeiern bei Beerdigungen halten müssen. Erst beim Eintreffen des Trauerzuges am Friedhof kam der gegenüberwohnende Pastor aus dem Haus und übernahm dann die Aussegnung am Grab.“

Emil Völker war ein strenger, anspruchsvoller, aber auch verständnisvoller Rektor. Sein Kollegium war ganz auf seinen Stil fokussiert. Da es kein Lehrerzimmer gab, hielt er Konferenzen mit den Lehrkräften spazierend auf dem Schulhof ab, um gleichzeitig die Gesundheit zu fördern. Er selbst badete so oft es möglich war im Mühlenteich in Steinhagen. Zu den Treffen der bürgerlichen Honoratioren in Bielefeld auf dem Johannisberg ging er von Steinhagen aus zu Fuß, dabei den Spazierstock gern mit den Armen hinter den Rücken haltend, um sich eine gesunde Körperhaltung zu bewahren. Die Bezirksschulkonferenzen fanden im Gasthaus Vierschlingen bei Kaffee und Kuchen statt, den Weg dorthin legte Emil Völker selbstverständlich zu Fuß zurück.

Emil Völker starb am 27. Juli 1940. Er wurde in der Familiengrabstätte auf dem Steinhagener Friedhof neben seiner 1931 verstorbenen Ehefrau beigesetzt. Auch seine Tochter Marie und deren Ehemann Heinrich Westerhoff sind dort beerdigt worden.


Portrait Emil Völker
geb. 30. 04.1863 in Gehlenbeck, Krs. Lübbecke – gest. 27. 07. 1940 in Steinhagen, Krs. Halle/Westf.
Emil Völker mit Ehefrau Emma, geb. Wrede, und den Töchtern Martha (li., geb. 1891) und Marie, gen. Mimi (re., geb. 1893); Foto um 1900
Aquarell des Kantorhauses Steinhagen, unbekannter Maler, ca. 1935
Emil Völker und seine Ehefrau Emma, geb. Wrede Foto: 1911, im Garten des Kantorhauses der ev. Kirchengemeinde Steinhagen