Jung
Um in den 1920er-Jahren eine eigene Firma zu gründen, brauchte man eine Menge Mut. Die neue Weimarer Republik erholte sich gerade langsam von den Auswirkungen und Wirren des Ersten Weltkriegs. Die Hyperinflation Anfang des Jahrzehnts hatte die deutsche Wirtschaft stark getroffen, und trotz der neu eingeführten Reichsmark, die sich als einigermaßen stabile Währung erwies, war die wirtschaftliche Situation noch sehr angespannt. Zudem war für das Handwerk und Kleingewerbe die 60-Stunden-Woche noch normal und bezahlter Urlaub reines Wunschdenken.
Mitten in diese ungewisse Zeit baute der Klempnergeselle Heinrich Jung eine kleine Werkstatt in einen Steinhagener Wald. Erstmals aktenkundig wurde die Familie Jung 1788 in Franken. Ungefähr 100 Jahre später begibt sich der Klempnergeselle Andreas Jung auf Wanderschaft und findet in Brackwede eine Arbeit. Er heiratet eine Frau aus Brackwede und 1896 wird sein einziger Sohn Heinrich Jung geboren. Zehn Jahre später zieht die Familie nach Steinhagen, wo sich Andreas als selbstständiger Klempnermeister etablieren kann. Heinrich Jung trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Klempner. Doch der Erste Weltkrieg unterbrach seinen Werdegang, er wurde als Unteroffizier im Krieg verwundet. Durch die Erfahrungen im Krieg war der erst 23-jährige zu einem gereiften und selbstständigen Mann geworden. Das war ausschlaggebend für den Kauf eines 700 Quadratmeter großen Grundstück in Steinhagen. Ohne Wissen seines Vaters gab Heinrich 3500 Mark aus, was für damalige Verhältnisse extrem viel Geld war, und gründete am 1. September 1924 auf eben jenem Grundstück sein Klempner- und Installationsgeschäft. Mit 1000 Mark Startkapital und nur einem „Gehülfen“ beginnt er nun mit der Herstellung und Konstruktion von handbetriebenen Jauche- bzw. Güllepumpen. Diese werden sehr beliebt bei den Bauern aus der Umgebung und verkaufen sich gut. In dieser Anfangszeit arbeitete Heinrich Jung viel und hart, so war er Konstrukteur, Buchhalter, Monteur und Vertriebsleiter in einer Person. Doch das sollte sich auszahlen, so stellte das Unternehmen ab 1934 eigene Pumpen her und eröffnete zudem einen Großhandel für Klempnerei-Artikel. Die Anzahl seiner Mitarbeiter stieg bis 1939 auf zehn an. Doch der Zweite Weltkrieg unterbrach die positive Entwicklung. Der Betrieb wurde auf Rüstungsindustrie umgestellt, immer mehr Mitarbeiter wurden eingezogen und nun standen Zwangsarbeiter am Band. So ruht die Pumpenproduktion für 10 Jahre. Doch schon im April 1945, also noch vor Ende des Krieges, nimmt Jung die Produktion wieder auf. Er stellt seine Firma auf eine industrielle Serienfertigung um, bei der vor allem Schmutzwasserpumpen und Hebeanlagen hergestellt werden. Pumpen sind weiterhin begehrt und so geht es für die Firma und seine Mitarbeiter trotz der schweren Nachkriegsjahre wieder bergauf. Auch der Tod des Gründers Heinrich Jung 1959 kann dem Aufstieg kein Ende setzen, so wird 1963 erstmals eine Unterwasserpumpe entwickelt, eine technische Revolution. In den 1970er-Jahren richtet man die Firma mehr in Richtung Schwimmbecken und Filteranlagen aus. Doch durch die Ölkrisen endet dieser Abstecher erfolglos. 1979 übernimmt dann die amerikanische Masco Corporation die Firma Jung und in den Folgejahren werden Anlagen zur Druckentwässerung ins Sortiment übernommen. Die sind heute europaweit führend. Nach dem Brand des alten Schulungszentrum 2002 wird zwei Jahre später das FORUM eröffnet, was bis heute das Erscheinungsbild von Jung Pumpen prägt. Bis 2006 ändert sich noch zweimal der Besitzer der Firma. Heute hat die Firma über 360 Mitarbeiter in der Hauptstelle in Steinhagen und verschiedenen Niederlassungen in Europa. Stand 2022 wird die Firma durch den amerikanischen Pentair Konzern geführt und macht einen Jahresumsatz vom 78 Millionen Euro. Die Produkte „Made in Germany“ von Jung Pumpen sind in einigen Branchen marktführend.